Die Katharsis

Laut Vogler setzt die vollständige Auferstehung eine Läuterung voraus, durch die das Trauma der Unterwelt abgestreift wird. Vogler vergleicht diese Phase mit Reinigungsritualen zur Wiedereingliederung von Kriegern in archaischen Gesellschaften. Da die Phase der Katharsis jedoch oft mit einem erneuten Kampf einher geht (z.B. dem Showdown im Western), dient sie vor allem dazu, zu prüfen, ob der Held seine Lektion gelernt hat und das erlangte Wissen nun anwenden kann. Er erhält die Möglichkeit, sich von seiner Schuld zu befreien oder ein früheres Ungleichgewicht auszugleichen. Tiefenpsychologisch und mythologisch bedeutet die Katharsis die endgültige und praktische Verbindung der Gegensätze. Der Brückenschlag zwischen Gut und Böse kann nun vollzogen werden und die quälende Schuld der Vergangenheit, die aus der Differenziertheit der unkontrolliert waltenden Kräfte des Unbewussten resultierte, kann nun abgelegt werden. Nur wenn der Weg der Gegensatzvereinigung erfolgreich und vollständig gelungen ist, kann die letzte Prüfung gelingen.

Ms läuternde Prüfung ist die Begegnung mit seiner Frau. Sie konfrontiert ihn mit seinem früheren Wesen und der Schuld, die auf ihm lastet. In der Versöhnung mit ihr muss M nun all jene Wesenszüge zum Einsatz bringen, die er sich in der Zwischenzeit angeeignet hat. Seine Entschuldigung ist ehrlich, denn seine Vorgeschichte widerspricht all dem, was M nun verkörpert. Spielsucht wurde zu Wirtschaftlichkeit, Egoismus zu Gemeinschaftssinn, Verantwortungslosigkeit zu Verantwortungsbewusstsein. Der Weg dorthin führte über den stetigen Erhalt der eigenen Würde, die M in seinem früheren Leben als Spieler nahezu verloren gegangen war. Die Reinigung der Beziehung zu seiner Frau belohnt M mit einem Zustand des Ausgleichs, der für keinen der Beteiligten nachteilig ist. Die Scheidung der beiden ist vollzogen und M kann seine Frau guten Gewissens seinem Nachfolger überlassen, während er, als freier Mann, den Weg zurück zu Irma antreten kann. Er erhält seine bürgerliche Würde zurück, mit der er sich nun in beiden Welten frei bewegen kann.

Wie daraus bereits deutlich wird, steht am Ende der Katharsis jene ausgleichende Gerechtigkeit, die nun allen Beteiligten Lohn oder Strafe zuteil werden lässt. Vogler ordnet diesen Aspekt der letzten Stufe der Reise zu, doch unter dem Aspekt der seelischen Reinigung ist der Vollzug von Gerechtigkeit untrennbar mit der Katharsis verbunden und bildet, nach bestandener letzter Prüfung, ihren Höhepunkt. Erst mit Verhängung von Lohn und Strafe kann die Läuterung abgeschlossen werden. Die letzten Früchte seiner Läuterung erntet M bei der Rückkehr auf den Containerplatz: Seine Peiniger, die ihm in der Schlägerei das Gedächtnis und beinahe das Leben raubten, werden von einer Horde Nachbarn in die Flucht getrieben.