Rückkehr über die Schwelle

Die Schwelle zur Oberwelt zu übertreten bedeutet für den Helden, sich den Herausforderungen der Außenwelt wieder zu stellen. Diese Grenze in der inneren Auseinandersetzung zu übertreten heißt, die Gefahr der Psychose zu bannen und geht einher mit der uneingeschränkten Bereitschaft, das im Unbewussten Erlernte in der äußeren Auseinandersetzung anzuwenden. Filmisch bedeutet es das Verlassen der Lebenswelt des 2. Akts und in aller Regel die Rückkehr an jenen Ort, an dem die Reise begann. Wie weit diese Welten von einander entfernt liegen, erleben wir in Der Mann ohne Vergangenheit räumlich. M muss vom südlichen Helsinki in den hohen Norden des Landes fahren – ein Ort, der ihm bis dahin unbekannt ist. Dass der Ort seiner Rückkehr auch jener ist, an dem sein Aufbruch begann, erfahren wir erst im nun folgenden Abschnitt des Films.

So wie mit der ersten Schwelle das Absterben des Helden-Ich verbunden war, entspricht die zweite Schwelle seiner Auferstehung, d.h. der Geburt des Selbst. Bei M geschah das Zurücklassen des Ich buchstäblich, indem die erste Schwelle gleichbedeutend war mit dem Verlust seiner Identität. Somit lässt sich an dieser Stelle auch die Lesart der ersten Lebenshälfte wieder einbeziehen: Während am Beginn der Nachtmeerfahrt die Geburt in ein identitätsloses Dasein stand, hat sich M in der Zwischenzeit eine Persönlichkeit erschaffen, die ihn nun, mit vollständiger Ausbildung des Ich zu selbstverantwortlichem Handeln in der Gesellschaft befähigt. Unter dem Aspekt der zweiten Lebenshälfte entspricht seine Wiedergeburt nun der Ausbildung einer Persönlichkeit, bei der die Defizite aus Ms früherem Leben ausgeglichen sind.